Geisterstadt Regierungsviertel – Von Barrieren und Bürgernähe

Seit im letzten November eine Briefbombe durch die normale Sicherheitskontrolle des Kanzleramtes aufgehalten wurde und somit die Kanzlerin nicht erreicht hatte sind ja rund um die Regierungsgebäude die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden. Man könnte zwar meinen, dass der Fund der Bombe ein Hinweis darauf ist, dass die Sicherheitsbestimmungen ausreichend sind, doch Bundestagspräsident Norbert Lammert ließ dennoch verstärkte Sicherheitskontrollen abhalten.
Da ich häufiger im Paul Löbe Haus unterwegs bin, hat mich das direkt betroffen.
Ich möchte jetzt nicht über die persönlichen Unannehmlichkeiten sprechen, die das bedeutete sondern eher meine Beobachtungen schildern:

  • Das gesamte Gelände rund um die Regierungsgebäude ist abgeriegelt, nur Menschen mit Bundestagsausweis (und deren Begleitung) dürfen diesen Bereich betreten. Das hat zum Ergebnis, dass das gesamte Gelände irgendwie gruselig ist. Wo sonst ein buntes Treiben herrscht und alle möglichen Menschen zwischen den gläsernen Bauten umher spazieren sieht man nur noch vereinzelte Schlipsträger und Polizeitrupps. Irgendwie riecht es hier ein bisschen nach Totalitarismus. Und das, wo doch die Gebäude extra so gläsern gebaut wurden, um die Offenheit zum Volk zu symbolisieren.
  • Die Polizei (jedenfalls die vor Ort) ist über keine erhöhte Sicherheitslage informiert. Man steht dort, weil Bundestagspräsident Lammert es so will.
  • Während der Rest des Landes die Möglichkeiten eines Terroranschlages schon lange wieder im Alltag verdrängt hat, werden die Abgeordneten tagtäglich daran erinnert. Viele äußern, ein mulmiges Gefühl zu haben. Die EntscheidungsträgerInnen unseres Landes werden durch die tagtägliche Schikane stets erneut daran erinnert, dass es jeden Tag „bumm“ machen könnte. Die Gefahr des Terrorismus wird hier durch Regelmäßigkeit unterbewusst auch in die aufgeklärtesten Köpfe platziert. Mit so einem mulmigen Gefühl stimmt man dann auch eher mal für Antiterror- oder Überwachungsgesetze, auch wenn die gar nichts helfen. Ein Schelm, wer da Absicht unterstellt.

Gerade wurden in Nordreinwestfahlen die Sicherheitsmaßnahmen weiter zurückgestuft. Doch letzten Montag war der Bereich um die Regierungsgebäude immernoch für Fußvolk gesperrt.

Vielleicht wird es langsam Zeit, dass wir uns die erneute Freigabe unseres öffentlichen Raumes „erbitten“. Schließlich hat es nicht nur symbolische Bedeutung, wenn das Volk derart von seinen Regierungsgebäuden fern gehalten wird.

Update: Mittlerweile sind die Sperren größtenteils verschwunden. Die Lektion, die sie uns lehrten bleibt aber: Man muss nicht dem Volk Angst einjagen, sondern den Politikerinnen und Politikern. Denn die verlängern ja die Anti-Terror-Gesetze.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Geisterstadt Regierungsviertel – Von Barrieren und Bürgernähe“

  1. Avatar von padeluun

    Bei fefe gefunden: „[l] Das wird euch jetzt sicher genau so überraschen wie mich: Der „Al-Kaida-Insider“, von dem die Terrorwarnung Ende November kam, war ein Fake. Sie haben den Kontakt zu ihm verloren. Na sowas. Wie überraschend. Die Terrorwarnung, wir erinnern uns, führte zur Sperrung des Reichstages und die Polizei mit Maschinenpistolen an Bahnhöfen. Das war die Terrorwarnung, bei der de Maiziere von einem schönen Sieg über die psychologische Kriegsführung der Terroristen sprach.“

    und der Link dazu:
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,746563,00.html