Sexismus? Ich doch nicht!

Eigentlich jede Diskussion über sexistische Diskriminierung ruft Männer auf den Plan, die sich rechtfertigen und finden, dass es unfair ist, ihnen einen Vorwurf zu machen. Sie haben schließlich selber Töchter und verhalten sich nie sexistisch. Da ist es natürlich gemein, sie in Sippenhaft zu nehmen.
Und sie haben damit nicht Unrecht. Es fehlt eine „freisprechende Instanz“. Denn das können sie ja unmöglich selber tun. Dem schaffe ich hiermit Abhilfe im Stil eines Zeitschriften-Selbsttests. (Die Aussagekraft solcher Tests ist bekanntlich begrenzt, aber er kann eine Orientierung bieten.)

Du gehörst wirklich zu „den Guten“? Dann machst du sicherlich folgendes:

  • Ich weiß, dass meine stärkere Körperstatur einschüchternd wirken kann und trete Frauen daher auf der Straße rechtzeitig und gezielt aus dem Weg, um ihnen zu kommunizieren, dass ich ihren Raum respektiere.
  • Wenn ich nachts auf der Straße hinter einer Frau gehe, wechsle ich nach Möglichkeit die Straßenseite, um ihr ein eventuelles Bedrohungsgefühl zu ersparen.
  • Wenn ich nachts einer einzelnen Frau in der U-Bahn begegne, nicke ich ihr freundlich und zurückhaltend zu, um ihr zu bedeuten, dass ich keine Gefahr darstelle, breche aber schnell den Blickkontakt wieder, um sie nicht zu bedrängen. Kopfhörer z.B. verstehe ich als besonders starkes Signal, Abstand zu halten. Besonders in fast leeren Bussen oder Bahnen wähle ich keinen Sitzplatz in unmittelbarer Nähe zu einer Frau.
  • Besonders, wenn ich in Männergruppen unterwegs bin, achte ich darauf, dass meine Gruppe sich respektvoll verhält.
  • Wenn in Männerrunden sexistische Kommentare fallen, verbitte ich mir das. Auch bei „Kleinigkeiten“ und besonders dann, wenn ich mich damit unbeliebt mache.
  • Am Arbeitsplatz achte ich darauf, dass ich mir nicht die Erfolge von Kolleginnen zu eigen mache, nenne Urheberinnen von Ideen, die ich unterstütze, unterbreche Frauen nicht, fordere selbiges von Kollegen ein und spreche Kolleginnen explizit auf ihre Meinung an.
  • Ich achte grundsätzlich darauf, dass in Tischrunden oder auf Panels die Frauen nicht an den Rand gedrängt werden, sondern mittig platziert sind.
  • Ich glaube Frauen, die von Übergriffen berichten und verharmlose das nicht, oder lenke ab, auf andere Menschen, die auch/größere Probleme haben.
  • Ich ermutige Frauen, sich im Zweifel gegen die gesellschaftsnorm für den Weg zu entscheiden, der ihnen selbst entspricht.
  • Ich ermutige Frauen, sich für Führungspositionen zu bewerben und mehr Geld zu verlangen.
  • Wenn eine Frau mehr Geld / andere Arbeitsbedingungen erbittet, verkneife ich mir, sie als Unbescheiden zu titulieren. Dabei mache ich mir bewusst, dass mir das auch unterbewusst passieren könnte. Deshalb lasse ich da besondere Vorsicht walten.
  • Ich achte darauf, dass ich Frauen nicht sprachlich ausblende und lege Wert auf gendergerechte Sprache, ganz besonders dann, wenn ich Vorbildfunktion habe.
  • Ich gehe grundsätzlich nicht davon aus, dass ich Dinge besser weiß, als mein weibliches Gegenüber und erkundige mich, ob eine Erklärung zu einem Thema erwünscht ist, bevor ich sie liefere.

Diese Liste ist noch nicht vollständig. Ergänzungen und Vorschläge dürft ihr mir per E-Mail schicken. (Aussagen, die auf dich nicht zutreffen, treffen auf dich nicht zu. Das zu erkennen, solltest du in der Lage sein. Wehe ich kriege hinterher Nachrichten von sehr kleinen Männern oder Selbständigen, die sich in einzelnen Punkten nicht wiedersehen.)

 

Auswertung:

Alle Fragen mit „Ja“ beantwortet:
Gratuliere! Du machst wirklich alles richtig und darfst dich hiermit als einer von „den Guten“ bezeichnen. Allerdings erst, nachdem du den Test noch mal durchgegangen bist und dich gefragt hast, ob du auch wirklich ehrlich geantwortet hast.

1 bis 4 Fragen mit „Nein“ beantwortet:
Gratulation! Du bist ein Mensch und damit nicht frei von Fehlern. Und du bist lieber ehrlich, als perfekt. Du wurdest in einer sexistischen Welt aufgezogen und da ist es nicht verwunderlich, dass du nicht alle Aspekte von Sexismus verstanden hast. Eine selbstkritische Haltung wird dir helfen, auch die letzten Punkte in den Griff zu bekommen. Du darfst dich als „einer von den Guten auf Probe“ bezeichnen.

5 bis 6 Fragen mit „Nein“ beantwortet:
Wenigstens bist du ehrlich. Und Hopfen und Malz ist auch noch nicht verloren. Bevor du dich aber in feministischen Diskussionen als „einer von den Guten“ bezeichnest, solltest du dich noch etwas mehr mit dem Thema beschäftigen. Lies mal ein paar von den unten verlinkten Texten und stelle in Diskussionen um sexistische Diskriminierung lieber ein paar ehrlich-interessierte/konstruktive Fragen.

Mehr als 6 Fragen mit „Nein“ beantwortet:
Du scheinst dir den Titel „einer von den Guten“ etwas zu voreilig gegeben zu haben. Denn dazu gehört etwas mehr, als das reine Weglassen von sexuellen Übergriffen. Lies dich erst mal ins Thema ein, höre zu und sei dabei selbstkritisch.

 

Warnung:

Ein gutes Ergebnis in diesem Test, sagt noch nichts aus über deine Werte bezüglich anderer Diskriminierungsformen, wie Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit, Altersdikriminierung, Body-Shaming, Ableismus, Chauvinismus, Elitismus und so weiter. Es kann daher hier kein „Freispruch“ in Bezug auf diese Themen stattfinden. Die in diesem Test geübte Selbstkritik kann aber auch bei diesen Themen Anwendung finden.

 

Links (nicht nur) für fortbildungswillige Männer:

Feminismus für Kerle, von einem Kerl | Feminismus 101

Linksverkehr im Kopf | Leena Simon

#metoo: Ich auch | ZEITmagazin

Sexismus und Me Too: Ich bin der Typ in der dunklen Gasse – Gerechtigkeit – bento

Scheinbar banal, nie egal: Versteckter Sexismus | Leena Simon

Dialog über Feminismus – Digitalcourage

Was sind männliche Privilegien? | Feminismus 101

#om12 Sprache und Plattformneutralität – Anatol Stefanowitsch – YouTube

Derailing für Anfänger (Achtung Zynismus!)

Katie Roiphe: ‘Why am I being paid less than my male colleagues?’ | Life and style | The Guardian


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